Menü

Tradierte Strukturen im Bankwesen: der schleichende Geschäftstod

Bild von Ssonja Peter

Die Bankbranche steht auf dem Prüfstand: Erst jüngst sorgte die mittlerweile ad acta gelegte Forderung der Grünen, die provisionsbasierte Beratung durch Honorarberatung zu ersetzen, für Furore. Im Kern macht sie eine große Herausforderung klar: Traditionelle Banken müssen sich weiterhin grundlegend und immer wieder neu ausrichten, um einerseits mit dynamischen Wettbewerbern wie Challenger-Banken (Tomorrow, N26) oder fokussierten Start-up-Produktlösern wie Klarna (Zahlungsverkehr) mitzuhalten. Anderseits kommen immer weitere regulatorische Anforderungen hinzu, die als Chance zur Erneuerung verstanden werden müssen – und nicht nur als reine Abarbeitung von Vorgaben. So steigen beispielsweise mit der EU-Taxonomie und deren Regularien die Aufgaben für Banken und ihre Mitarbeitenden zum Thema Nachhaltigkeit gerade stetig. Damit eröffnen sich aber auch immer wieder Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle, die abseits traditioneller Strukturen entstehen. 

Doch wo anfangen, wenn Muster über Jahrzehnte festgefahren sind? Zwei Ansätze bewähren sich aus meiner Erfahrung:

1) Das eigene Geschäftsmodell angreifen

Warum sollte ein Unternehmen Interesse daran haben, ein lange beständiges Geschäftsmodell aufzubrechen, das über Jahre oder Dekaden erfolgreich war? Was paradox klingt, ist ein sinnvoller Ansatz. Denn: Wer sich nicht selber permanent neu erfindet oder in Frage stellt, der wird von plötzlich neu entstehenden Wettbewerbern überrascht werden. Dazu kann helfen, viele kleine Firmen oder Digital Labs zu gründen, in denen beispielsweise durch neue Kommunikationswege und Zusammenarbeitsmodelle mit Partnern und Lieferanten neue Produktlösungen initiiert, getestet und gefördert werden – und im nächsten Schritt auch neue Geschäftsmodelle. Das können z.B. Beyond-Banking-Ansätze sein, die über das Kerngeschäft hinausgehen und das komplette Kundenbedürfnis abbilden. Am Beispiel Eigenheim festgemacht: Die Bank würde da schon bei der Suche nach einem passenden Haus unterstützen und dann weiter bei der umweltfreundlichen Ausstattung und passenden Sicherheits- und Versicherungsleistungen. Bisher bieten Banken zu solchen End-to-End-Kundenangeboten lediglich Checklisten an, aber keine Beratungsleistung – geschweige denn echte Unternehmensleistungen wie beispielsweise die Vermittlung bzw. konkrete Umsetzung der gesamten Wertschöpfungskette. Was früher ausschließlich die Finanzierung betraf, wird zu einem Teilstück einer am kompletten Weg des Kundenbedarfs ausgerichteten Dienstleistung (vom Wunsch bis zum eingerichteten Einzug). 

Warum hierzu nicht schon vorhandene Potenziale ausschöpfen und das im Unternehmen vorhandene Fachwissen oder Lieferanten-Ecosystem noch stärker nutzen? Banken haben beispielsweise eine eigene ausgezeichnete IT- bzw. Cyber-Security oder Facility-Management, die sie Dritten als eigene Dienstleistung anbieten könnten oder arbeiten bereits mit innovativen Start-up-Dienstleistern, die viel mehr frische Ideen einbringen können, als nur vorhandene Aufträge umzusetzen.

2) Auf das Wesentliche fokussieren

Umgekehrt sollten Projekte und Prozesse abgestoßen werden, die nicht mehr den richtigen Rahmen für einen erfolgreichen Wandel setzen. So hängt das Gelingen erfolgreicher Transformationen unserer Erfahrung nach insbesondere vom Weglassen und Fokussieren des Portfolios der Firma ab. Banken unterstützen ihre Mitarbeitenden, indem sie das Portfolio radikal reduzieren, viele interne Projekte einstellen und sich auf wenige Projekte oder Produkte fokussieren. Gleichzeitig sollten sie in Initiativen zu Forschung und Entwicklung sowie Startups investieren (s. Punkt 1). Auch die Lehren aus dem Silicon Valley besagen: Um als Unternehmen zukunftsfähig zu bleiben, geht es in erster Linie nicht um das Wissen, dass etwas funktioniert, sondern darum, konsequent Neues auszuprobieren. 

Diese Schritte sind oft mutig und in ihrer Konsequenz nicht einfach durchzuführen, denn es gilt, vorhandene, noch funktionierende Vorgehen, zugunsten von längerfristig zukunftsweisenden, unbekannten neuen Wegen herunterzupriorisieren – sogar zum Teil mit einhergehenden kurzfristigen Ertragseinbußen. So hätten Banken mit dieser Vorgehensweise viel früher auf die eigene Entwicklung von „Check-24-Vergleichen“ oder das Anbieten einer sicheren Instant-Payment-Funktion à la PayPal kommen können, wenn sie nicht zu träge nur darauf gesetzt hätten, dass ein Girokonto (statt dessen Daten) genug Ertrag abwirft und die reine Kontoverwaltung Kunden als Dienstleistung reicht.

Eine gebeutelte Zunft stiftet wieder Sinn

Für Banken heißt das konkret: Sie sollten sich strukturell und personell neu formieren. Nur wenn sie ihre bestehenden Geschäftsmodelle auseinandernehmen und in aller Konsequenz neue aufbauen, werden sie sich langfristig überlebensfähig aufstellen. Darüber hinaus: Auch für das Berufsbild der Banker:innen tun sich gerade jetzt neue Chancen auf. Sie können mit Hilfe neuer Geschäftsmodelle, z. B. im Rahmen von Sustainable Finance die Rettung des Planeten vorantreiben und schlussendlich ihren durch die Wirtschaftskrise verursachten schlechten Ruf wieder geraderücken. Wer möchte nicht einen Beruf ausüben, der höheren Idealen dient? Der Bankenberuf bietet diese Chance gerade!

Bei diesen elementaren Veränderungen unterstützt der richtige Rahmen. Unserer Erfahrung nach sind agile Prinzipien hierbei besonders geeignet, um sowohl kunden- als auch teamzentriert zu arbeiten und über schnelle Iterationen am Markt neue Wege zu vertesten.

 

Über Ssonja Peter

Bild von Ssonja PeterDas Bankgeschäft kennt die Betriebswirtin und Bankkauffrau Ssonja Peter bis ins kleinste Detail. Seit 2000 hat sie in verschiedenen Führungspositionen in deutschen Großbanken, u.a. der Commerzbank, den fundamentalen Wandel der Branche selbst mitgestaltet. Aktuell berät sie als Executive Consultant bei borisgloger consulting im Finance-Sektor etablierte Unternehmen und Start-ups zu Transformationen im Rahmen von Digitalisierungsinitiativen und Sustainable Finance.

ÄhnlicheBeiträge

fino gibt Daten einen Wert

In einem Artikel des Magazins Wirtschaft Nordhessen der IHK beschreiben Aleksandar Jeremic, Geschäftsführer fino.digital und